Beratung mit Dr. Igor Kreimerman und Dr. Nitsan Shalom (Gerda Henkel-stiftung) über das Projekt in Hazor zur Zeit der Ausgrabungen in Tell Beit Mirsim (28. Juli-15. August 2024).
Aufgrund des Krieges in Gaza konnten in diesem Jahr - im Gegensatz zu den beiden Vorjahren
- keine Ausgrabungen in Hazor stattinden. Der Norden Israels wurde komplett evakuiert und
die Situation machte es unmöglich, Studenten aus Regensburg mitzunehmen. Statt Hazor
war Tell Beit Mirsim die Ausgrabungsstätte, und statt deutscher Studenten aus Regensburg
und Oldenburg (und französischer von der école du Louvre) waren es fast ausschließlich
Studenten der Hebräischen Universität, die zusammen mit den Archäologen gruben.
Tell Beit Mirsim, der im Süden des Landes etwa zwei Drittel der Strecke zwischen Jerusalem
und Ber Sheva liegt, wurde in den 1920er und 1930er Jahren von W.F. Albright, dem „Vater
der palästinensischen Archäologie“, ausgegraben. Die Datierung der von ihm gefundenen
Keramik und die damit verbundene Stratigraphie waren lange Zeit die Grundlage für die
Datierung anderer Ausgrabungsstätten. Dies zeigt die Bedeutung der erneuten
Ausgrabungen am Tell Beit Mirsim durch die Hebräische Universität (und durch meinen
bescheidenen Beitrag, der auch von der Henkelstiftung unterstützt wurde).
Die älteste Besiedlung des Tell Beit Mirsim geht auf die frühe Bronzezeit zurück, obwohl nur
sehr wenige Spuren davon gefunden wurden. In der mittleren Bronzezeit (± 2000 bis 1500 v.
Chr.) entstand die erste Stadt und erreichte ihren Höhepunkt am Ende dieser Periode, als sie
von einem Erdwall und einer Stadtmauer umgeben war. Aus der ersten Phase der späten
Bronzezeit wurden nur Vorratsgruben gefunden, was auf eine nomadische Kultur mit nur
saisonaler Nutzung des Ortes hinweist. Erst in der späten Bronzezeit II (14.-13. Jahrhundert v.
Chr.) wurden wieder städtische Gebäude gefunden.
Von besonderem Interesse für unsere Ausgrabungen sind die Perioden der Eisenzeit. Albright
teilte die Eisenzeit in drei Perioden ein: B1: die frühe Eisenzeit I, aus der nur Vorratsgruben
gefunden wurden, was wie in der ersten Phase der Spätbronzezeit auf eine Rückkehr zum
Nomadendasein hindeutet; B2: eine zweite Phase in der Eisenzeit I mit bescheidenen
Gebäudestrukturen und mit Philisterkeramik; und schließlich B3: eine eindrucksvolle, mit
Kasemattenmauern verteidigte Stadt, die Albright in die Eisenzeit II (10. Jahrhundert v. Chr.,
d. h. in die Zeit Davids und Salomons) datierte. Da sich die derzeitigen Ausgrabungen in Tell
Beit Mirsim auf die Stadt aus der Eisenzeit II konzentrieren, wird in diesem Bericht nicht
weiter auf die vorhergehenden Perioden eingegangen.
Der Grundriss der Stadt blieb in der Eisenzeit II weitgehend unverändert bis zur Eroberung
und Zerstörung durch den assyrischen König Senacherib im Jahr 701 v. Chr. Für Archäologen
ist eine solche plötzliche Zerstörung eine gute Sache, denn dann liegen noch viele
Gegenstände unter den Trümmern, die ausgegraben werden können. Wäre die Stadt
absichtlich von ihren Bewohnern verlassen worden, hätten sie so viele Gegenstände wie
möglich mitgenommen und viele Räume leer gelassen.
Auf dem Luftbild (Foto Nr. 1) ist deutlich zu erkennen, wie drei typische so genannte Vier-Zimmer-
Häuser, die mit den Nummern 1 bis 3 gekennzeichnet sind, an die Kasemattenwand gebaut
wurden. Eine Kasemattenmauer ist eine Mauer, die aus zwei parallelen Wänden mit
Hohlräumen dazwischen besteht, die im Kriegsfall mit Steinen und Erde aufgefüllt wurden,
um eine dicke, volle Mauer zu bilden. Im Friedensfall wurden diese Hohlräume als Lagerraum
genutzt. Am unteren Rand des Bildes, wo der hebräische Text 2025 בחורף 2025 להתראות('Wir
sehen uns im Winter 2025') geschrieben steht, befand sich die Kasematten-Stadtmauer. Die
Häuser grenzen also an die Stadtmauer, und die Räume in den Kasematten werden als
Lagerräume genutzt. “Mein“ Sektor war der Sektor ganz links (Nummer 4), wo wir (mein
Kollege Erez und ich) zuerst einen meterhohen Steinhaufen entfernen mussten. Den Rest
dieses Steinhaufens kann man unter Sektor Nummer 4 sehen.
(Foto 1)
Daher kamen wir nicht so tief wie in den anderen Sektoren. Aber es gelang uns, die Gasse
zwischen dem Haus Nr. 3 und dem Haus, das unter Nr. 4 liegen muss, sehr deutlich
freizulegen.
Im Folgenden sind weitere Beispiele für wichtige Funde aufgeführt. Der Henkel eines
Kochtopfes auf dem Foto Nr. 2 hat ein Kreuz, das den hebräischen Buchstaben „tav“ darstellt
(der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets, ähnlich unserem „t“). Das Zeichen könnte
den Besitzer des Topfes identifizieren, aber da der Buchstabe „tav“ viel häufiger verwendet
wird auf Keramikgriffen als andere Buchstaben des Alphabets, ist es wahrscheinlicher, dass er
eine allgemeinere Bedeutung hat, z. B., wie von Aren Maeir vorgeschlagen, eine Abkürzung
des Wortes תרומה„Spende“. Eine weitere Inschrift die häufig auf Griffen von Vorratsgefäßen
zu finden ist, lautet „lamelech“ (= „des Königs“). Im ganzen Land wurden Hunderte solcher
„lamelech“-Stempel gefunden, aber die mit „tav“ sind seltener; es war ein glücklicher Zufall,
einen davon in meinem Sektor zu finden. In meinem Sektor fanden wir auch einen
Schleuderstein (Foto Nr. 3). Auch in anderen Sektoren wurden mehrere Schleudersteine
gefunden, die möglicherweise auf die gewaltsame Eroberung des Tell Beit Mirsim durch die
Armeen Senacheribs hinweisen.
(Foto 2) (Foto 3)
Dies sind weitere Beispiele für Keramik aus der Eisenzeit II (Fotos 4-7): Foto Nr. 4 ist ein Krug,
der fast vollständig erhalten ist. Interessanterweise enthält er noch Reste von Samen, die im
Labor analysiert werden können. Foto 7 ist ein Keramikstopfen, der zum Verschließen eines
Gefäßes verwendet wurde; auch dies ist ein seltenes Stück.
(Foto 4) (Foto 5) (Foto 6) (Foto 7)
Das Stück auf Foto 8 ist ein Rätsel. Es handelt sich um eine Art Krug, und die Trennung der
beiden Teile ist auf einen Bruch zurückzuführen, aber was seltsam ist, ist, dass oben ein Loch
gebohrt wurde. Das passiert häufiger bei Keramik, die zerbrochen und repariert wurde, aber
das kann hier nicht der Fall sein. Eine Untersuchung im Labor sollte weitere Informationen
liefern.
(Foto 8) (Foto 9)
Foto 9 ist ein Gewicht. Bei Ausgrabungen wurden viele Webstuhlgewichte gefunden, die auf
eine industrielle Tätigkeit hinweisen. Dieses Gewicht ist jedoch zu groß dafür und muss eine
andere Funktion gehabt haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ausgrabungen von 2024 viele interessante
Funde erbracht haben. Sie haben Albrights Erkenntnisse aus den 20er und 30er Jahren
weitgehend bestätigt, lassen aber viele Fragen offen. Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gab
es in der Stadt, welche Bautechniken wurden beim Bau der Stadt angewandt, und was sagt
uns das über den sozialen Aufbau des Gemeinwesens? Weitere Ausgrabungen in den
nächsten Jahren werden viele neue Entdeckungen bringen, die die Geheimnisse von Tell Beit
Mirsim lösen werden.
Während der Grabungswochen wurden mehrere Vorlesungen für die teilnehmenden
Studenten der Hebräischen Universität angeboten:
- Igor Kreimerman (Hebräische Universität): “An Introduction to Tell Beit Mirsim”.
- Michael Freikman (Hebräische Universität): “Olive Oil Production at Tell Beit Mirsim”.
- Dalit Weinblatt (Hebräische Universität): “An Introduction to Pottery Reading and Pottery
Drawing”.
- Erik Eynikel: (Universität Regensburg): “David, the iconic king” .
- Nitsan Shalom (Hebräische Universität): “Micro-archaeology, what is it good for?”
-Nili Wazana (Hebräische Universität): “The Sennacherib Campaign to Judah: Between Bible
and Archaeology”.
Ein Vortrag war von besonderem Interesse: Dr. Nitsan
Shalom, die von der Gerda Henkelstiftung geförderte Post-Doc-Forscherin. Ihr Vortrag befasste sich mit der Identifizierung von Zerstörungsschichten durch die Analyse von Proben aus den
verschiedenen Schichten mit mikroarchäologischen Methoden. In ihrem Vortrag
ging sie speziell auf das Gerda-Henkel-Projekt in Hazor ein, an dem sie beteiligt ist. Es war für mich eine Gelegenheit, sie kennen zu lernen und mit ihr und Dr. Kreimerman das Hazor-Projekt
näher zu besprechen.
Erik Eynikel
Erik Eynikel, Doktor in Theologie (Altes Testament, Löwen -Belgien-, 1989) unterrichtet seit
2013 Biblische Sprachen und Geschichte Israels an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg. Von 1987 bis 2013 war Dr. Erik Eynikel Dozent für Altes Testament, Biblisches
Hebräisch und Biblisches Aramäisch an der Universität Nimwegen (NL). Er ist Adj. Professor für AT an der University of Dallas (USA) und war chargé de cours für Altes Testament und Biblisches
Hebräisch an der Universität Straßburg (FR). Er hat zahlreiche Studienreisen zum nahen Osten für die Universität Nimwegen organisiert und übernimmt diese Tätigkeit mit größter Begeisterung
an der Universität Regensburg. Seit 2024 ist er Co-Director der Ausgrabungen in Hazor.
Kontakt:
M Tel: +49 (0)178 67 12 530
E-Mail: Erik.Eynikel@ur.de
Fotos ©ErikEynikel2022
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